Paradigmenwechsel oder Bumerang für den Chef

Paradigmenwechsel oder Bumerang für den Chef

Paradigmenwechsel oder Bumerang für den Chef

Die betriebliche Altersversorgung ist ein komplexes Thema und führt häufig zu Fragen bei Ihnen als Kunde. Zum Jahreswechsel haben die Versicherungen in Deutschland reihenweise ihre Tarife angepasst und dabei u.a. das Garantieniveau gesenkt. Besonders zu den notwendigen Garantien gibt es verschiedene Aussagen, die Sie als Arbeitgeber - ebenso wie Ihre Arbeitnehmer - verunsichern. Dieser Beitrag bringt etwas Licht ins Dunkel. Im Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Alters­versorgung (BetrAVG) finden sich mehrere Zusagearten:

  • Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML)
  • Reine Beitragszusage (BZ)
  • Leistungszusage (LZ)
  • Beitragsorientierte Leistungszusage (bOLZ)


Jede dieser Zusagearten ist klar definiert.

Die Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML):

§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG regelt, dass„... der Arbeitgeber sich verpflichtet, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung zu zahlen und für Leistungen zur Altersversorgung das planmäßig zuzurechnende Versorgungskapital auf der Grundlage der gezahlten Beiträge (Beiträge und die daraus erzielten Erträge), mindestens die Summe der zugesagten Beiträge, soweit sie nicht rechnungsmäßig für einen biometrischen Risikoausgleich verbraucht wurden, hierfür zur Verfügung zu stellen ... " Bei der BZML sagt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer also eine Mindestleistung in Höhe der eingezahlten Bei­ träge zu (abzüglich der Beiträge, die für einen biometri­schen Risikoausgleich notwendig sind). Ein abgesenktes Garantieniveau ist nicht möglich, da immer diese Ab­aufleistung  garantiert ist.

Die Beitragszusage (BZ):

§ 1 Abs. 2 Nr. 2a BetrAVG regelt, dass„... der Arbeitgeber durch Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung verpflichtet wird, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung nach § 22 BetrAVG zu zahlen; die Pflichten des Arbeitgebers nach Abs. 1Satz 3, § 1a Abs. 4 Satz 2, den §§ 1b bis 6 und 16 BetrAVG sowie die Insolvenzsicherungspflicht nach dem Vierten Abschnitt bestehen nicht ..." Bei der BZ sagt der Arbeitgeber nur die reine Beitragszahlung zu. Es gibt keine garantierte Mindestleistung bzw. kein Garantieniveau. Diese Zusageart ist jedoch noch sehr neu und kann von den wenigsten Versicherern abgebildet werden, sodass diese Zusage noch nicht praxisrelevant ist

Die beitragsorientierte Leistungszusage (bOLZ):

§ 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG regelt, dass„... der Arbeitgeber sich verpflichtet, bestimmte Beiträge in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln ... "Bei der bOLZ sagt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer also lediglich zu, dass er bestimmte Beiträge in eine bAV umwandelt. Das Gesetz sieht insoweit keine Mindesthöhe vor; die Höhe errechnet sich nach versicherungsmathematischen   Grundsätzen

Höhe Rendite vs. Arbeitgeberrisiko?

Die neuen abgesenkten garantierten Kapitalauszahlungen orientieren sich Branchenweit bei rd. 80-90% der gezahlten Beiträge. Durch die abgesenkte Garantie können Versicherer mehr vom Versicherungsbeitrag rendite- und nicht sicherheitsorientiert am Kapitalmarkt investieren und damit die Chance auf höhere Ablaufleistungen ermöglichen. Denn jede Garantie kostet Geld und verringert die Renditechancen am Markt. Dass diese Vorgehensweise in Zeiten einer (aller Voraussicht nach) langanhaltenden Niedrigzinsphase im Interesse der Versicherungsgesellschaften und auch im Interesse der Arbeitnehmer ist, kann allgemein unterstellt werden. 

Wie aber steht es in diesem Zusammenhang um die arbeitsrechtliche Seite? Dieser Frage möchten wir an dieser Stelle nachgehen und dabei auch die einschlägige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) berücksichtigen.

Unterscheidung beitragsorientierte Leistungszusage und Beitragszusage mit Mindestleistung

Nach der Definition des § 1 Abs. 2 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) liegt eine beitragsorientierte Leistungszusage in der betrieblichen Altersversorgung dann vor, wenn der Arbeitgeber sich verpflichtet, bestimmte Beiträge in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln (bOLZ).

Wie oben beschrieben, wird im Gesetz dazu ist die Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) abgegrenzt, bei der sich der Arbeitgeber verpflichtet, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung zu zahlen. Für Leistungen zur Altersversorgung ist durch den Arbeitgeber das planmäßig zuzurechnende Versorgungskapital auf der Grundlage der gezahlten Beiträge zur Verfügung zu stellen. Das Versorgungskapital ergibt sich aus den Beiträgen und den daraus erzielten Erträgen und ist mindestens so hoch wie die Summe der zugesagten Beiträge, soweit sie nicht rechnungsmäßig für einen biometrischen Risikoausgleich verbraucht wurden.
Im Gegensatz zu BZML ist im BetrAVG bei der bOLZ keine Mindestleistung definiert, die dem Versorgungsberechtigten zur Verfügung gestellt werden muss. Aus der Rechtsprechung ist bisher kein Urteil bekannt, das bei der bOLZ einen Beitragserhalt als Mindestleistung fordert.

Im BAG-  Urteil vom 30.08.2016 (BAG – 3 AZR 361/15) heisst es dazu:

Die Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG enthält nicht lediglich eine Definition für den Begriff der beitragsorientierten Leistungszusage, sondern stellt - trotz ihres missverständlichen Wortlauts - auch inhaltliche Anforderungen an diese auf. Dies zeigen die Gesetzesmaterialien. Durch das "Rentenreformgesetz 1999" (BGBl. I 1997 S. 2998, Art. 8 Nr. 1 Buchst. c) wurde erstmals mit § 1 Abs. 6 BetrAVG in der Fassung vom 16. Dezember 1997 (im Folgenden § 1 Abs. 6 BetrAVG a.F.) eine mit dem heutigen § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG wortgleiche Regelung in das Betriebsrentengesetz eingefügt. Ausweislich der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung sollte mit dem "neuen Abs. 6 die sog. ‚beitragsorientierte Leistungszusage‘ ausdrücklich einer gesetzlichen Regelung zugeführt" werden (BT-Drs. 13/8671 S. 120). Damit wollte der Gesetzgeber auch inhaltliche Anforderungen an die beitragsorientierte Leistungszusage aufstellen.

Dahingestellt bleiben kann, welche Anforderungen im Einzelnen an die Umwandlung zu stellen sind. Jedenfalls verlangt § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG, dass, wenn der Arbeitgeber die Gewährung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zusagt, die sich aus einer Umwandlung von Beiträgen in eine Anwartschaft ergeben, zum Zeitpunkt der Umwandlung unmittelbar feststehen muss, welche Anwartschaft auf künftige Leistungen die Arbeitnehmer durch die Beitragsumwandlung erwerben.

In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung betreffend die Einführung der Regelung zur beitragsorientierten Leistungszusage in § 1 Abs. 6 BetrAVG a.F. heißt es dazu (BT-Drs. 13/8671 S. 120): "Bei diesen Zusagen handelt es sich um Leistungszusagen, bei denen ausdrücklich ein direkter Zusammenhang zwischen dem Finanzierungsbeitrag und der Höhe der daraus resultierenden Leistung besteht. Bei wirtschaftlicher Betrachtung wird hier verstärkt auf den Aufwand abgestellt, der für die zugesagte Leistung erforderlich ist ..." Dies zeigt, dass nach dem ausdrücklichen Willen des historischen Gesetzgebers ein direkter Zusammenhang zwischen dem Finanzierungsbeitrag und der Höhe der daraus resultierenden Leistung gegeben sein muss.

Daraus folgt aus unserer Sicht, dass "bOLZ fähige" Produkte folgende wichtige Garantien darstellen müssen:

  • Garantierte Rente
  • Garantierte Kapitalsumme
  • Garantierter Rentenfaktor
  • Garantierte Todesfallleistung
  • Garantierte Rückkaufs- und Übertragungswerte


In diesem Kontext ist noch auf folgendes hinzuweisen:

  • Es wird mindestens ein biometrisches Risiko abgedeckt (z. B.: Alter)
  • Die Versicherungsleistungen und Garantien stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit den eingezahlten Beiträgen.
  • Die garantierten Versicherungsleistungen stehen zudem zum Zeitpunkt der Umwandlung fest

 

Wertgleichheit als zusätzliches Kriterium bei Entgeltumwandlung

Zu berücksichtigen ist nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG jedoch bei arbeitnehmerfinanzierten Versorgungen das Kriterium der Wertgleichheit. Eine gesetzliche Vorgabe, ob und in welcher Höhe eine Mindestanwartschaft vorliegen muss, um das Kriterium der Wertgleichheit zu erfüllen, besteht ebenfalls nicht und es gibt keine Entscheidung in der Rechtsprechung, die eine Wertgleichheit als Beitragserhalt definiert hat. Das Bundesarbeitsgericht hat lediglich festgestellt, dass nicht das volle Anlagerisiko auf den Arbeitnehmer übertragen werden darf.

Arbeitgeberfinanzierte Versorgungen kennen dagegen kein Kriterium wie die Wertgleichheit. Das Bundesarbeitsgericht stellt lediglich fest, dass zum Zeitpunkt der Umwandlung feststehen muss, welche Anwartschaft der Arbeitnehmer erwirbt (Urteil vom 30.08.2016, 3 AZR 361/15, Rn. 37-39).

Fazit:

Derzeit ergibt sich damit weder aus dem Gesetzestext noch aus der bisherigen Rechtsprechung die  Verpflichtung, bei der boLZ einen Beitragserhalt zu garantieren. Bei der bOLZ ist daher ein abgesenktes Garantieniveau denkbar und wir gehen daher davon aus, dass auch eine Garantie unterhalb der Beitragssumme bei der boLZ arbeitsrechtlich zulässig ist.

Andreas Moritz ist gerichtlich
zugel. Rentenberater

 

 

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